Zur Stärkung und Verstetigung von Citizen Science im lokalen Raum wurden weitere Preisgelder an die Preisträger*innen verliehen. Gefördert werden produkt- und handlungsorientierte Ideen, die auf den bisherigen lokalen Citizen-Science-Projekten aufbauen oder diese weiterentwickeln.
Durch die weiteren Preisgelder wurde es nun möglich, gemeinsam mit beteiligten Citizen Scientists einen Workshop mit dem Titel „Partizipative Wissensproduktion, Interventionsformen und Organisierung für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung“ zu gestalten, neue Netzwerke zu knüpfen und, im Austausch mit anderen, weitere Ideen für Handlungsansätze zu entwickeln.
Das Forschungsprojekt „Community Health – Wohnen und Gesundheit auf der Veddel“ hat sich mit der Wohnsituation auf der Elbinsel Veddel auseinander gesetzt und Menschen zu ihren Erfahrungen und Umgangsweisen befragt. Bewohner*innen des Stadtteils wirkten im Rahmen der Forschung als Stadtteilforscher*innen mit, führten Interviews, diskutierten Ergebnisse und Handlungsmöglichkeiten.
Es zeichneten sich hierbei verschiedene Schwerpunkte ab, welche teilweise auf umfassende Wohn-Belastungen im Stadtteil hinwiesen und somit auch komplexe Fragen einer weiteren, an den Bedürfnissen der Stadtteilbewohner*innen orientierten Bearbeitung aufwarfen. Im Projekt diskutierten die als Ko-Forscher*innen beteiligten Bewohner*innen und die Forschungskoordination gemeinsam, welche Kommunikationsstrategien und Wege zielführend sein können, um die Ergebnisse für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung wirksam werden zu lassen. So war durch die enge Zusammenarbeit mit den Stadtteilforscher*innen auch die gemeinsame Reflexion forschungsethischer Fragen zur Verwendung von Daten möglich.
Um die Frage von Handlungsmöglichkeiten und -ebenen zu vertiefen und das gesammelte Wissen auch anderen zugänglich zu machen, wurde in einer Kooperation mit dem Stadtteillabor Bochum-Hustadt gemeinsam mit Citizen Scientists aus beiden Städten ein Workshop entwickelt und im Rahmen der Arbeitstagung „Infrastrukturierung der sorgenden Stadt“ (Prof. Iris Dzudzek, WMU Münster) durchgeführt. Hierdurch sollte der Einbezug unterschiedlicher Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen aus den Feldern Stadtgeografie, Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit, Care- und Gesundheitsforschung ermöglicht werden.
Doch bevor sich die Citizen Scientists auf den Weg machen konnten, musste der Workshop gemeinsam geplant werden. Hierfür fanden zwei digitale Arbeitssitzungen statt, in denen die unterschiedlichen Erfahrungen ausgetauscht und der Workshop methodisch und inhaltlich vorbereitet wurden. Und um eine möglichst umfassende Beteiligung der Stadtteilforscher*innen auf der Arbeitstagung zur „Infrastrukturierung der sorgenden Stadt“ zu ermöglichen, wurden die Treffen auch genutzt, um Grundlagen zu Care-Theorien und dem Konzept einer sorgenden Stadt in der Gruppe zu diskutieren.
So vorbereitet machten sich die Hamburger*innen und die Bochumer*innen, leider durch eine Erkältungswelle bedingt nicht vollständig, auf den Weg, um sich in Münster zu treffen. Die Arbeitstagung fand dort vom 7.-9.11. in dem soziokulturellen Quartierszentrum B-Side statt und versammelte Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen aus verschiedenen Feldern, welche mit der Sorge füreinander und eine lebenswerte Stadt verbunden sind. Ganz in diesem Sinne wurde neben inhaltlichen Debatten und gemeinschaftlichem Mapping, auch zusammen gekocht und im gemeinsamen Tun ein Raum für Austausch und niedrigschwellige Netzwerkarbeit geschaffen.
In dem Workshop „Partizipative Wissensproduktion, Interventionsformen und Organisierung für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung“ stellten die Citizen Scientists gemeinsam mit den Forschungskoordinationen ihre Arbeit vor, zeichneten Herausforderungen und eröffneten den Raum einer gemeinsamen Ideenwerkstatt.
Während einerseits die Potentiale von Citizen Science in der Demokratisierung von Infrastrukturen einer sorgenden Stadt diskutiert wurden, brachten die Workshop-Teilnehmer*innen sich auch mit ihren jeweiligen Erfahrungen und Einschätzungen in Formaten der Wissenschaftskommunikation oder der Einbindung von Verwaltung ein.
So entstanden Ideen, wie eine strategische Durchkreuzung von öffentlicher und privater Sphäre, um Wohnbelastungen und Sorgebedarfe sicht- und verhandelbar zu machen. Aber auch Erfahrungen mit neuen Institutionen wie einem regelmäßigen Trialog zwischen Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik in Münster wurden geteilt und dienen nun als Inspirationsquelle für die weitere Arbeit vor Ort. Um die Forschungsergebnisse aus dem Citizen Science Projekt fruchtbar werden zu lassen, für eine Veränderung vor Ort.
Diskutiert wurden aber auch die individuellen Voraussetzungen für Beteiligung und Teilhabe und die Wichtigkeit von Anerkennung und einem Gefühl der Sicherheit. So erzählten die Bochumer Stadtteilforscher*innen auch von Herausforderungen in der Aktivierung von Menschen in ihrem stark durch Migration geprägten Viertel, weil es viele Ängste vor Abschiebungen und Behörden gibt.
Am dritten Tag der Münster-Reise fanden sich die Hamburger und die Bochumer Stadtteilforscher*innen für eine Reflexion und intensive interne Diskussion des Workshops zusammen. Anknüpfend an die vorherigen Tage wurde u.a. gemeinschaftlich die Bedeutung von oftmals unsichtbaren Care-Praxen ausgearbeitet, gerade in den von Migration geprägten und durch Einkommensarmut betroffenen Stadtteilen.
Die gemeinsame Reise sowie die Konzeption und Durchführung des Workshops hat die Citizen Scientists über ihre Stadtteile hinaus vernetzt, ihre Stimmen und Perspektiven sichtbarer gemacht und die Gelegenheit geschaffen, mit fachkundigen Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zukünftige Handlungsstrategien und Kommunikationsformate auszuloten. Es wurden schöne Momente und intensive Diskussionen geteilt.
Hieran kann und soll nun vor Ort angeknüpft werden, um den Ergebnissen zu belastenden Wohnbedingungen, aber auch zu nachbarschaftlicher Solidarität und Umgangsweisen mehr Wirkungskraft für positive Veränderungen zu verleihen.