Ein kollektives Portrait der Migrationserfahrungen in Süderelbe
In all den individuellen Migrationsgeschichten, durchzogen von Erlebnissen, Emotionen und Reflexionen, verbergen sich nicht nur persönliche Narrative, sondern auch ein kraftvolles Resonanzfeld für kollektive Identitäten und Gemeinschaftsbildung. Das Projekt „Stadtrandgeschichten“ schuf einen Raum, in dem die Polyphonie von Migrationsgeschichten im Raum Süderelbe sichtbar, hörbar und vielleicht sogar fühlbar wird. Es schlug Brücken zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem, Individuellem und Kollektivem, Wissenschaft und Kunst, Erinnerung und Reflexion. In den drei Arbeitsgruppen – Archiv der Erinnerung, Geschichtswerkstatt und Forschungstheater – entfaltet sich eine plurale Erzählung, die sowohl in ihrer Emotionalität als auch in ihrer analytischen Tiefe wirkt, und die dazu einlädt, die bekannten und unbekannten Facetten der Migrationsgeschichte in Süderelbe zu erkunden und zu würdigen. Hierbei ist jedes Fragment, jede Stimme, jedes Gesicht ein entscheidender Baustein im Mosaik der städtischen Identität, welches kontinuierlich rekonfiguriert und neu interpretiert wird, um uns hoffentlich auch zukünftig zu neuen Dialogen, Entdeckungen und Verbindungen zu inspirieren.
Archiv der Erinnerung
Das „Archiv der Erinnerung“ etablierte eine robuste Datenbasis, gewonnen durch rund 35 semistrukturierte Interviews mit Migrant*innen in Süderelbe, wobei der Fokus auf Narrativen des Transits, der Ankunft und Integration lag. Stephan Kaiser und Team boten ein wöchentliches offenes Erzählcafé an und verfolgten damit einen partizipativen Ansatz, in dem die Subjektivität der Geschichten akzeptiert wurde, wodurch eine Polyphonie von Erfahrungen und Perspektiven entstand. Dieses Archiv, für die Region sowohl akademisch als auch kulturell signifikant, wird zum Materiallager für zukünftige Forschungen und als evidenzbasierte Grundlage für Diskurse um Migration und Identität.
Geschichtswerkstatt
Die Geschichtswerkstatt implementierte vor Ort unter Begleitung von Nils Steffen eine interdisziplinäre Methode zur Erforschung und Vermittlung von Migrationsgeschichten, wobei der partizipative Ansatz den Dialog zwischen Wissenschaft und Community förderte. Der konzeptionelle Fokus auf „Orte des Ankommens“, den die Teilnehmer*innen selbst wählten, ermöglichte eine explorative Auseinandersetzung mit Räumlichkeiten als Sphären der Begegnung, Integration und Identitätsbildung in verschiedenen Zeiten. Das Resultat, eine öffentliche Ausstellung bei „Neugraben erleben“ im September 2023, repräsentierte nicht nur eine Synthese aus Forschung und Erinnerung, sondern fungierte auch als Bildungsinstrument und Diskursimpuls für die Stadtbevölkerung.
Forschungstheater
Mit dem Forschungstheater, ein innovatives Konglomerat aus künstlerischer Darstellung und wissenschaftlicher Untersuchung, positionierten sich Janina Blohm-Sievers und Teilnehmer*innen als experimentelle Plattform zur Untersuchung von Emotionen und Narrativen im Kontext von Migration. Die kreative Verwebung individueller Geschichten ermöglichte eine empathische Annäherung an das Phänomen der Migration, während die methodologische Reflexion und analytische Tiefe eine kritische, wissenschaftlich fundierte Perspektive bewahrten. Das Theater diente somit als vermittelnde Instanz zwischen persönlicher Erfahrung, kollektivem Gedächtnis und wissenschaftlicher Analyse.
Erinnerungen und Emotionen – Beginn eines Dialogs
Im Kontext der „Stadtrandgeschichten“ spiegeln sich die facettenreichen Erfahrungen derer wider, die ihre Erinnerungen und Emotionen mit uns geteilt haben. Die Herausforderung bestand und besteht darin, dem gerecht zu werden, sowohl in akademischer als auch in künstlerischer Hinsicht, um eine vielschichtige Erzählung von Migration und Gemeinschaft in Süderelbe zu fördern.
Es ist, wie so oft, der Beginn eines Dialogs – über Migration, gesellschaftliche Vielfalt und die unzähligen Geschichten, die unser kollektives Gedächtnis formen und beeinflussen. Das Projekt mag nun zu einem Abschluss kommen, doch die Geschichten und die daraus resultierenden Fragen werden weiterleben, weitererforscht, weitererzählt und hoffentlich dazu beitragen, Brücken zwischen den Menschen zu bauen und das Verständnis füreinander zu vertiefen. Das Erzählen von Geschichten schafft nicht nur Erinnerungen, sondern bietet auch einen Ausgangspunkt für Dialog, Reflexion und letztlich für das Verständnis der komplexen Webart, die unsere Gesellschaft formt und verbindet.
Wer das Ergebnis des Projekts vor Ort in Süderelbe sehen und erleben möchte, ist herzlich eingeladen: Am 18. November 2023 um 19.30 Uhr zeigen wir das Theaterstück „Papa, wohin gehen wir?“ im Jola (Kulturhaus Süderelbe, Am Johannisland 2, 21147 Hamburg). Der Eintritt ist frei. Anmeldung über tickets@kulturhaus-suederelbe.de.