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Citizen Science in deiner Stadt

Orte des Zusammenkommens – Räume von Nachbarschaftsaus- tausch und Forschung

Orte des Zusammenkommens / Fotos: Poliklinik Veddel/Silke Betscher

Das Projekt „Community Health – Wohnen und Gesundheit auf der Veddel“ setzt sich mit Fragen von Wohnbedingungen als Gesundheitsdeterminanten auseinander und forscht gemeinsam mit Bewohner*innen des Stadtteils Veddel zu Umgangsweisen und (Belastungs-)Erleben.

Nach einer Schulung im Februar, in der die Grundlagen qualitativer Forschung vermittelt, Leitfragen entwickelt und Interviewführung geübt wurden, startete die Feldphase. Mit ganz unterschiedlichen Menschen aus dem Stadtteil wurden Interviews geführt, in denen ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen im Zentrum standen. Was ist schön an der eigenen Wohnung und macht sie zu einem Zuhause? Was wird als belastend erlebt? Und wie gehen die Menschen hiermit um? An wen richten sie sich? Welche Erfahrungen machen sie hierbei? Und was wünschen sie sich im Wohnen? 

Die neue Rolle als Interviewer*in für sich zu entwickeln, Nachbar*innen und Bekannte anzusprechen, Gespräche zu führen, in denen Raum gegeben wird und das Gegenüber sich mit den eigenen Relevanzen und Erlebnissen zeigen kann, war für die Stadteilforscher*innen nicht immer leicht – es will geübt, erprobt und gelernt werden. Raum für Austausch hierüber gab es in den regelmäßigen gemeinsamen Treffen mit der Forschungskoordination.

Im April lagen dann 16 Interviews vor, welche aktuell noch weiter ausgewertet werden. Erste Eindrücke zeigen die Mühe, welche es kosten kann für ein gesundheitsförderndes Wohnumfeld zu sorgen. Eine Anwohnerin beschreibt ihre Erfahrungen mit deutlichen Worten: „Und da merkt man, finde ich immer so ein bisschen, dass dieser Stadtteil halt einfach nicht so wichtig genommen wird. Und das ärgert mich.“ 

Aber auch stärkende Beziehungen zwischen Mitbewohner*innen oder mit Nachbar*innen kommen in den Interviews zur Sprache und verweisen auf Ressourcen im Sozialraum Veddel, wenn beschrieben wird: „Also ich finde Veddel eigentlich eine schöner Stadtteil bzw. eine schöne Insel. Also ich fühle mich hier eigentlich richtig wohl und geborgen. Mit den Leuten, die hier wohnen, komme ich sehr gut klar.“

Offenes Wohnzimmer vor deiner Tür

Anfang Mai startete das Projekt in eine zweite Erhebungsphase: den Pop-Up-Wohnzimmern oder auch den „Offenen Wohnzimmern vor deiner Tür“.

Eingeladen wurden Nachbar*innen aus einzelnen Häuserblocks, um in einer Fokusgruppe im halb-öffentlichen Raum in den Austausch zu kommen, Erfahrungen zu teilen und von der eigenen Situation zu berichten. Gemütliche Sofas und Sessel, Waffeln und Kuchen sorgten für ein einladendes Setting und mit Türgespräche wurden die Bewohner*innen der jeweiligen Häuserblocks in der Woche vorher persönlich eingeladen. 

Es entstanden Räume eines konzentrierten Gesprächs, in denen sehr offen über eigene Belastungen gesprochen wurde und unterschiedliche Erfahrungen Raum bekamen. 

Hierbei wurde deutlich, dass es Themen gibt, die viele Menschen betreffen, in denen sie sich Unterstützung wünschen und die auch gesundheitlich bedenklich sind. So wurde bspw. von Belastungen durch Feuchtigkeit und Schimmel berichtet, aber auch von den Tücken digitaler Verwaltungsformate oder den Auswirkungen von Lärm auf die eigene Psyche.

Mit den Pop-Up-Wohnzimmern wurde ein experimentelles Format der Erhebung erprobt, welches sowohl als Forschungsmethode, als auch im Sinne einer Kollektivierung von Erfahrungen im Stadtteil und einer Stärkung nachbarschaftlicher Beziehungen wirken sollte. 

„Diese unterschiedlichen Anforderungen an das Erhebungsformat haben sich gut realisiert. Es sind Menschen zusammengekommen, die sonst niemals zu einer Fokusgruppe gehen würden. Sie haben offen und ernsthaft ihre Geschichte erzählt und auch anderen Nachbarn und Nachbarinnen zugehört“, beschreibt Prof. Silke Betscher die gemachten Erfahrungen aus dieser Erhebungsphase.

Erste Erfahrungen mit dem Forschungsansatz wurden Ende Mai auch bereits in dem Panel „Grüße von den Rändern der kollaborativen Forschung“ auf einer Tagung der Neuen Kulturgeographie in Münster durch das Projektteam vorgestellt und diskutiert. Die Stadteilforscher*innen konnten hier als selbst Forschende ihre Erfahrungen einbringen, hörten aber auch von ähnlichen Projekten und nahmen neue Eindrücke mit nach Hause. Zugleich war die Tagung ein Wiedersehen mit den Stadtteilforscher*innen aus der Bochumer Hustadt, zu denen es bereits seit 2 Jahren Kontakte gibt.


Im Kooperationsprojekt zwischen der HAW Hamburg und der Poliklinik Veddel steht nun die nächste Phase an: Es geht in die Auswertung und vertiefende Diskussion der Ergebnisse. Diese sollen im Herbst auf dem Stadtteilfest in den Stadtteil zurück kommuniziert werden und wir diskutieren gemeinsam, in welcher Form wir Ergebnisse zu Wohnbelastungen an Verantwortliche in Politik und Behörden vermitteln: Daten für Taten!

Community Health – Gesundheit und Wohnen auf der Veddel

„Community Health – Gesundheit und Wohnen auf der Veddel“ ist eines der Preisträger-Projekte 2023-2024. Ein vielfältiges Team aus Personen, die auf der Elbinsel Veddel leben und arbeiten, erforscht den Zusammenhang von Nachbarschaft, Wohnverhältnissen und Gesundheit. Ziel des Projektes ist es, die Wohnverhältnisse nachhaltig zu verbessern, die Relevanz gemeinsam erfasster lokaler Daten zu stärken sowie die Handlungsfähigkeit der Anwohnerinnen und Anwohner zu fördern.