Im Hamburger Stadtteil Veddel wurde von einer Gruppe Stadtteilforscher*innen gemeinsam mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg und dem Stadtteilgesundheitszentrum Poliklinik Veddel zu Wohnsituationen im Stadtteil und Umgangsweisen der Bewohner*innen geforscht. In 16 qualitativen Einzelinterviews und durch Fokusgruppen im halböffentlichen Raum, den Offenen Wohnzimmern vor deiner Tür, wurden im letzten Frühjahr und Sommer vielfältige Geschichten und Erfahrungsberichte zusammengetragen. Über den Sommer wurde das Material von der Forschungskoordination vorkodiert und in Interpretationswerkstätten diskutiert. Ergebnisse wurden mit den Stadtteilforscher*innen besprochen und gemeinsam wurde überlegt, wie die Ergebnisse auf dem Stadtteilfest präsentiert werden sollten.
Es zeigten sich im Material unterschiedliche Umgangsweisen mit belastendem Wohnraum, die von einem aktiven Eintreten für Veränderung oder einer Verbindung mit Nachbar*innen bis zu einer eher erduldenden Umgangsweise reichte, welche von Gefühlen wie Ohnmacht und Resignation begleitet wird. Diese unterschiedlichen Umgangsweisen verwiesen auch auf institutionelle Barrieren, unterschiedliche Ressourcen der Bewohner*innen und bereits gemachte Erfahrungen. So erzählten Menschen die positive Erfahrungen mit Institutionen gemacht hatten, die von ihren Mieter*innen-Rechten wussten und die deutsche Sprache sicher beherrschten, wesentlich häufiger von Herangehensweisen, die auch eine Veränderung der Situation bewirken konnten oder zumindest Handlungsfähigkeit erfahren ließen.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Schimmelbelastungen im Stadtteil, welche im Community Health Survey Veddel (2022/23) im Stadtteil von gut 35% der Befragten angegeben worden waren, teilweise massiv sind und die Bewohner*innen sich ihnen teils hilflos ausgeliefert sehen. Dies liegt auch an einer schwierigen Kommunikation mit den unterschiedlichen Vermieter*innen im Stadtteil. So kann die Vermieter*innenkommunikation als eine Scharnierstelle verstanden werden, welche Wege in eine konstruktive Problembearbeitung eröffnen oder auch Resignationsmomente evozieren kann.
Dieser Analyse entsprechend entwickelte die Gruppe eine Reihe an Forderungen, welche für ein gesundheitsförderliches Wohnen im Stadtteil wesentlich sind und die beim Stadtteilfest im Spätsommer vorgestellt werden sollten.
Das Stadtteilfest, das jährlich stattfindet, war von Beginn an als Ort für die Kommunikation der Projektergebnisse in den Stadtteil vorgesehen. Mitten in den Vorbereitungen für das Stadtteilfest, musste dann jedoch spontan umgeplant werden, da das Stadtteilfest von den Organisator*innen kurzfristig und unvorhergesehen abgesagt wurde. Somit fehlte für das Projekt „Community Health“ nun auf einmal der zentrale Ort, an dem die Vielfalt von unterschiedlichen Stadtbewohner*innen und Communities einmal im Jahr gemeinsam feiert und zusammen kommt.
Dieser Ausfall ließ sich nicht so einfach kompensieren. Gleichwohl blieb es der Anspruch des Projekts, den Stadtteil über die Ergebnisse zu informieren, Forderungen gemeinsam zu diskutieren und das Zusammenkommen auch als Gelegenheit für eine Mieter*innen-Organisierung zu nutzen, so dass die Veddeler Mieter*innen eine hörbarere Stimme entwickeln und sich wechselseitig stärken können.
Hierfür wurde Ende Oktober zu einem Stadtteilbrunch im cafe nova eingeladen. Bei einem leckeren Buffet wurden hier von der Forschungsgruppe die Ergebnisse vorgestellt und mit den Bewohner*innen diskutiert. So konnten zwar weniger Bewohner*innen erreicht werden, als dies bei dem Stadtteilfest möglich gewesen wäre, aber die Anwesenden diskutierten die Ergebnisse und Forderungen, brachten eigene Ideen ein und zeigten auch Interesse an einer Folgeveranstaltung, um die Möglichkeiten einer gemeinsamen Organisierung zu diskutieren.
Als nächste Gelegenheit der Ergebniskommunikation in den Stadtteil steht nun eine kurze Präsentation der Ergebnisse im Stadtteil-Beirat Anfang November an. Darüber hinaus werden in den nächsten Wochen Poster zur Ergebniskommunikation im Stadtteil aufgehängt und dezentrale Austauschgelegenheiten bei kleinen Kuchenständen geschaffen.
Das Projekt „Community Health – Wohnen und Gesundheit auf der Veddel“ hat auf diese Weise das Verständnis zu Wohnbelastungen im Stadtteil erhöht und den gemeinsamen Austausch zu Umgangsweisen und möglichen Handlungsstrategien gestärkt.
Diese Idee, Citizen Science als Forschung mit Wirkung zu konzipieren und umzusetzen, hat die Projektgruppe auch gemeinsam mit dem befreundeten Stadteillabor aus der Bochumer Hustadt auf dem Forum Citizen Science in Hamburg vorgestellt. Sie hielten hier den Eröffnungsvortrag und zeigten gemeinsam die unterschiedlichen Wirkungen auf, welche Citizen Science für eine Demokratisierung von Wissenschaft entfalten kann.
Ganz besonders hat es daher auch alle Beteiligten gefreut, dass sie im Herbst eine Förderzusage durch die Hamburger Investitions- und Förderbank erhalten haben, die gemeinsame Arbeit fortzuführen und ein Stadteillabor als Schnittstelle zwischen der HAW Hamburg und der Poliklinik Veddel und integralen Bestandteil einer multiprofessionellen Gesundheitsversorgung zu entwickeln und damit Community Based Health Care für Deutschland innovativ weiterzudenken.
Nach einem ereignisreichen und intensiven Projektjahr, freuen sich nun alle auf die weitere Zusammenarbeit.