Über die digitale Plattform „Colouring Dresden“ können Bürger*innen Wissen zur Gebäudevielfalt Dresdens kartieren, erforschen und vermitteln. Gemeinsam können wir so nachhaltiges und klimagerechtes Bauen und Sanieren fördern und helfen die Baukultur zu bewahren. Doch wie kam es zu dieser Idee?
Am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden beschäftigen wir uns schon viele Jahre mit der Analyse von Strukturen und Veränderungen von Städten und Regionen – dies bis auf die Ebene von einzelnen Gebäuden. Eine große Herausforderung bei dieser Arbeit ist der Mangel an Daten zu Gebäuden, wie dem Grundriss, dem Baualter, der Nutzung oder auch dem Zustand. Üblicherweise erfolgte die Erfassung dieser Daten durch Vorort-Begehungen oder der Auswertung von Plänen oder Luftbildern und war damit häufig nur für kleine Untersuchungsgebiete möglich. Wir entwickelten deshalb automatisierte Verfahren, um Gebäudeflächen automatisch aus historischen Landkarten zu extrahieren und zu klassifizieren, um so die Entwicklung des Gebäudebestandes über große Gebiete und über viele Jahrzehnte nachzuverfolgen und in der Struktur beschreiben zu können. Dabei kommen KI-basierte Technologien zum Einsatz, um vom Einzelgebäude hin zu einer flächendeckenden Kartierung zu gelangen. Doch diese eingesetzten, sogenannten maschinellen Lernverfahren benötigen stets Trainingsbeispiele, damit der Algorithmus in der Lage ist, einen Gebäudeumriss zu erkennen. Auch sind Eigenschaften zum Sanierungszustand oder der materiellen Zusammensetzung nur schwer extrahierbar. Genau hier sehen wir ein großes Potenzial, das wertvolle Wissen von Bürger*innen in diesen Kartierungsprozess einzubeziehen.
Bisher standen die vielen historischen Quellen, Fotos und Kartenwerken, die Gebäude abbilden vor allem im Fokus kulturwissenschaftlich motivierter Citizen-Science-Projekte. Das Potenzial eines Citizen-Science-Ansatzes im Kontext dieses Themas ist dabei groß. Menschen können über ihre Faszination für Baukultur, Architektur, Stadtplanung, Nachhaltigkeit, lokale Geschichte oder Kartografie motiviert sein, sich hier zu engagieren. In Dresden gibt es bereits einzelne lokale Citizen-Science-Projekte in diesem Bereich, wie beispielsweise das Straßenprojekt in Wikidata oder die bürgerwissenschaftliche Georeferenzierung von historischen Karten im Virtuellen Kartenforum.
Zentraler Anlaufpunkt wird die „Colouring Dresden“-Plattform sein, welche auf dem quelloffenen Code von Colouring Cities basiert und Anfang 2023 ans Netz gehen soll. Das Konzept dieser offenen Kartierungsplattform geht auf den Prototypen von Colouring London zurück, welcher am Centre for Advanced Spatial Analysis (CASA), University College London entwickelt wurde. Mittlerweile wird die Plattform am The Alan Turing Institute betrieben, wo auch das Colouring Cities Research Programme (CCRP) als internationales Netzwerk eingerichtet wurde, um die Reproduktion und Erprobung des offenen Modells in anderen Ländern zu unterstützen. Das CCRP arbeitet aktuell mit internationalen akademischen Partnern in Australien, Bahrain, Großbritannien, Kolumbien, Deutschland, Griechenland, Libanon, Indonesien und Schweden zusammen. Das IÖR ist seit über 5 Jahren im Colouring London Projekt als auch im CCRP Netzwerk involviert. Mit dem nun gestarteten Citizen Science Projekt können wir mit „Colouring Dresden“ die erste Plattform in Deutschland starten und mit unseren technischen Weiterentwicklungen und geplanten Aktionsformen wertvolle Erfahrungen sammeln. Vor allem aber wollen wir die Menschen in unserer Stadt mit unseren vielfältigen Aktionen zusammenbringen.